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objekte - magazin nevertheless 05 (de)

magazin nevertheless 05 (de)

Szilvia Ortlieb ist eine Bildhauerin in der Lineage von Jann Haworth, Louise Bourgeois, Eva Hesse oder Niki de Saint Phalle. Sie ist eine Meisterin des Materials, ihre Arbeiten sind kraftvoll, ohne heroisch zu sein und überzeugen durch ihre subtile Würde. In einer ihrer faszinierendsten Serien, Resonanz (2007), reproduzierte die Künstlerin mehrfach einen großen Stein in Ton.  Durch  jeden Reproduktionsvorgang wird der Stein im Zuge des Brennens und Trocknens kleiner und kleiner. Ziel ist es, genug Generationen von Tonskulpturen herzustellen, die immer mehr schrumpfen, bis das Objekt gänzlich verschwindet.

 

Flexibel wie Stein
Hart wie Papier
Schwer wie Luft

 

Ein Stein braucht Jahrmillionen, um zu entstehen; einen Stein auf diese Weise zum Verschwinden zu bringen, eröffnet einen Denkprozess für eine Zeitvorstellung, die über die Grenzen von menschlichem Leben hinausreicht. Dieser Impuls ist genau das Gegenteil jenes Muttertriebes, der traditionell den Frauen zugeschrieben wird. Anstatt Kinder auf die Welt zu bringen und so die Kontinuität der Familie zu gewährleisten, produziert Szilvia Ortlieb wiederholt Abgüsse zunächst des "Mutter-Steins" sodann von dessen Reproduktionen bis sie schließlich verschwinden. Ihr post-strukturalistischer, feministischer Ansatz ist nicht nur faszinierend und erfrischend, aber jedenfalls spielerisch.

 

Die Dinge sind nie so klar
wie sie aussehen
und die Zukunft ist nicht, was sie zu sein scheint

 

Szilvia Ortlieb ist ein vollkommen sinnlicher Mensch, der ihre Betrachter beständig einlädt, an ihrem Erfahrungsreichtum teil zu haben. Eines ihrer bevorzugten Materialien ist Limoges -Porzellan. Sie stapelt Porzellanseiten wie Papier übereinander, so zart und zerbrechlich wie Schweizer Schokoladeplättchen und ebenso verlockend. Oder sie rollt die Porzellanplatten zusammen und platziert sie eng nebeneinander und erzeugt dabei einen Tanz aus Licht und Schatten wie in ihrer Arbeit Spekulation über Raum, Licht, Struktur, Zeit und Grenze I (2007). Die philosophischen Schlussfolgerungen dieses Titels werden in allem, was die Künstlerin macht, evident.

 

Willkommen in meiner Welt, wo das Unmögliche etwas Alltägliches ist.

 

In Arbeiten so klein wie ihre Porzellan-Gurken oder in übergroßen Schläuchen von Traktorenreifen, Pneu TR218A (2012), zeigt sie, dass sie das gewählte Material über die Grenzen dessen hinaustreibt, wofür es ursprünglich erdacht worden war. Sie erweckt damit Ehrfurcht und Staunen, als hätte Merleau-Ponty's Phänomenologie der Wahrnehmung Form angenommen. Szilvia Ortliebs Erforschung der Sinneslust erinnert uns nicht nur an die Freude am Sinnlichen, sondern gleichzeitig an die Grenzen unserer sinnlichen Wahrnehmungsfähigkeit und dass uns nur ein kleiner Teil des Spektrums gewahr wird, welches es zu erfahren gäbe.

© Text: Renée Gadsden, 2012

                                                           Übersetzung: Doris Brandecker-Knerer, MAS

szilvia ortlieb
obere gwendtgasse 5, 3430 tulln a.d. donau, tel.:+43(0)699-10660880
fotos: rainer friedl und szilvia ortlieb